Nov 11

Umverteilung

Das Wort «Umverteilung» ist in der Politik zur Zeit sehr trendy – vor allem auf linker Seite empört man sich regelmässig über die Umverteilung von unten nach oben und über eine Tendenz, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher würden. Eine solche Polemik über ungerechte Verteilung der Güter ist sehr wirksam. Auch bei mir wirkten diese Argumente lange, bis ich von der Realität eines Besseren belehrt wurde, nämlich: wenn du etwas hast, versuchen die andern, es dir wegzunehmen! Erst heute begreife ich den philosophischen Spruch «homo homini lupus» (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf). Ich habe meine sozialromatische rosarote Brille abgelegt und bin zum Schluss gekommen: die Idee vom Gutmenschen, der von Natur aus alles mit seinen Mitmenschen teilen will – das ist eine Illusion! Gotthelf formulierte es so: das allgemeinherrschende Prinzip ist leider «das Recht des Stärkeren»

Als Gymnasiatin beeindruckte mich das kommunistische Manifest – ich sah sogar Aehnlichkeiten zwischen den russischen Grossgrundbesitzern und meinen privilegierten Eltern, die dank ererbtem bäurischen Gut sehr gut gestellt waren. Man kann sich etwa vorstellen, welch heftige Diskussionen mit meinen Eltern das auslöste, denn als Bauern waren für sie die «Sozis» das absolute Feindbild.

Heute sehe ich es ganz anders: der Sozialismus hat als politisches System versagt, weil er auf einem naiven Menschenbild beruht. In «Animal Farm» wird auf geniale Art beschrieben, wie ein System, das ursprünglich Ausbeutung bekämpft, die zuerst bekämpften Ausbeutungsmechanismen allmählich übernimmt und sie schlussendlich sogar pervertiert. Es handelt sich um die Konkurrenz der beiden Todsünden Neid und Habgier. Habgier hat Neid ausgelöst, aber zuletzt gewinnt wieder die Habgier. Ich schliesse mich der provokativen Aussage der «manic street preachers» an: als Kommentar zu ihrem neuen Song «The love of Richard Nixon» sagten sie, der Kapitalismus sei das einzige politische System, das sich bewährt habe.

Ich wage sogar zu behaupten, im Fall meiner Familie habe eine Umverteilung von oben nach unten stattgefunden. Extrem formuliert: Von der Millionärstochter zur Sozialhilfeempfängerin – und zwar weil die «linken und netten» so wahnsinnig nett sind! Angesichts der Erbanwartschaft in Jegenstorf (Bauernhaus und Land) ist dies gar nicht besonders grosszügig, denn Sozialhilfegelder müssen bei Erbanfall zurückerstattet werden. Zudem scheint es bei vielen ehemaligen Neidern Genugtuung auszulösen, dass die ehemals Privilegierte nun «untendurch» muss. Bereits nach dem Selbstmord meines Vaters (der kein Testament hinterliess) fand eine Umverteilung statt, die 4 überforderten Frauen, (die verwitwete Bäuerin und die 3 Bauerntöchtern) wurden Opfer von Bauernfängerei: bereichert haben sich der Notar, die Bank, Anwälte und Mitgiftjäger. Was mich betrifft, so hat der sozialdemokratische Statthalter in den letzten 8 Jahren dafür gesorgt, dass massenhaft administrativer Leerlauf produziert wurde – ich schaffe quasi Arbeitsplätze in der Verwaltung.