Familiendrama in Lenk

Leserbrief zum Lenker Familiendrama (Bund vom 16 .7. 04)

Als ich vom Lenker Familiendrama hörte, war mein erster Gedanke: da hat wieder so ein Komplexhaufen seine Familie ausgelöscht, weil die Frau ihn verlassen wollte und er nicht der «loser» sein will. Er hätte es nicht ertragen, wenn seine Kollegen ihn am Biertisch gehänselt hätten, seine 10 Jahre jüngere Ehefrau brauche wohl etwas Potenteres, vielleicht war sie ihm intellektuell überlegen und hätte in der Tourismusbranche Karriere gemacht (die «stepford wives» lassen grüssen – mir einer unterwürfigen Roboterfrau wäre das nicht passiert). Es würde mich nicht wundern, wenn der Mann sich in eine reiche Familie eingeheiratet hätte, und sich nicht damit hätte abfinden können, aus dem schönen Chalet ausziehen zu müssen – Geldgier ist häufig eine Triebfeder bei Amokläufen, und habgierige Menschen wollen auch Menschen besitzen.

Was wäre passiert, wenn die Frau in weiser Voraussicht dieses Familiendrama verhindert hätte und schlicht um ihre Haut und die Haut der gemeinsamen Kinder zu retten auf jeden noch so faulen Kompromiss eingestiegen wäre? Es wäre ebenfalls ein Drama gewesen, allerdings für die Medien zu wenig spektakulär, um darüber zu berichten. Der abtrünnigen Frau wäre das Leben mir «stalking» (Nachstellen)zur Hölle gemacht worden, sie wäre bei den Lenker Eingeborenen als Schlampe abgestempelt worden, es wäre bei ihren Verwandten, Bekannten und Nachbarn intrigiert worden, womöglich wären die Kinder gekidnappt worden, Anwälte und Aertze hätten viel an diesem Drama verdient , Behörden wären überfordert gewesen – natürlich ohne dies je zuzugeben – und hätten viel administrativen Leerlauf produziert. Der Frau hätte man vorgeworfen, sie sei naiv, dass sie sich derart einschüchtern liess und ihre finanziellen Interessen nicht durchsetzten konnte. Amokläufer werden fast immer als unauffällig bezeichnet, hätte dieser Mann nicht geschossen, er hätte sich weiter unauffällig gegeben, bald wäre aber die tyrannisierte Frau als auffällig bezeichnet worden.

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