Frauenfängerei – Update 23.05.04

Es ist nicht fair, mir vorzuwerfen, dass ich – wie so viele Schweizer Frauen meiner Generation – vor der gesellschaftlichen Realität in den Siebzigern / Achtzigern kapitulierte, dass Frauen sich meist zwischen Karriere und Familie entscheiden mussten. Als ich 1976/77 in England unterrichtete, stellte ich fest, dass es berufstätige Mütter in England wegen der vorhandenen Kinderbetreuungs-Institutionen viel leichter haben. Ich hätte eine englische Vergleichsgruppe von Ehepaaren, die beide halbtags berufstätig sind und Kinderbetreuung und Hausarbeit teilen, finden sollen. Meine Kollegin fand in der Schweiz 10 solche «fifty-fifty»Paare, in England fanden sich schlicht keine solchen Paare, da doppelverdienende Eltern in der Regel familienexterne Kinderbetreuung nutzten.. Das Resultat der länderübergreifenden Proseminararbeit: Wie sich Eltern die Kinderbetreuung organisieren, ist stark abhängig von den politischen Gegebenheiten. Englische Soziologen unterscheiden zwischen «family-centered woman» (Familienzentrierte Frau) und «career-centered woman» (Karrierezentrierte Frau). Es ist eine Illusion, zu glauben, eine 40- oder 50jährige Frau könne plötzlich vom Hausmütterchen zum Karriereweib mutieren, bloss weil das politische Umfeld sich gewandelt hat. Die lange Familienphase wirkt sich in der Arbeitswelt als grosses Handicap aus. In einer Untersuchung, was Ehen stabil macht, stellte man fest: Einer der Hauptfaktoren, die Ehen stabil machen, ist (neben gemeinsamen Kindern und gemeinsamem Wohneigentum) die Tatsache, dass die Ehefrau während vieler Jahre nicht erwerbstätig war. Es ist nicht gerade eine romantische Vorstellung, dass vermutlich viele Frauen in einer «Versorgerehe» ausharren. Mein erster Ehemann hat mich  mit dem Argument, berufstätige Mütter hätten ihre Kinder nicht gern, zum Verzicht auf Karriere manipuliert. Mir wurde viel zu spät klar, dass er so leichter an meine Mitgift herankam (er manipulierte mich auch, quasi als Liebesbeweis auf Gütertrennung zu verzichten). Meine erste Ehe ging ich nach altem Eherecht ein, in dem es noch hiess «der Ehemann ist das Oberhaupt der Familie» und nach dem der Ehemann der Ehefrau sogar eine eigene Erwebstätigkeit verbieten konnte. Natürlich gibt es Männer, die ihre Ehefrau durch wirtschaftliche Abhängigkeit festnageln wollen, vor allem Männer mit kleinem Selbstwertgefühl, die glauben, eine Frau nur so halten zu können. Die SP ist für jene Frauen, die das Auslaufmodell des verantwortungsvollen Familienvaters durch die verantwortungsvolle Familienmutter ersetzen wollen, sicher die richtige Partei. Eine solche Frau verkörpert z.B. die ehemalige Gleichstellungsfrau und heutige Regierungsstatthalterin Regula Mader ( deren bisherige politische Tätigkeit ich respektiere). Dieses neue Weltbild bedeutet aber auch, dass diese Frauen den Staat als zuverlässigeren Partner betrachten als einen Mann aus Fleisch und Blut, dass Männer sehr viel Macht abgeben müssen, und dass die moderne Beziehung zwischen den Geschlechtern durch sehr viel Rivalität geprägt wird.

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